top of page
  • Susanne Stähr, SWR2 Treffpunkt Klassik

Triumph der Wandlungsfähigkeit

"(...) mitten im zweiten Satz, endet die originale Partitur von Sergej Tanejews spätem Streichtrio in h-Moll – die übrigen vier Variationen hat er nur noch skizziert, aber nicht mehr ausgeführt. Das Trio Goldberg lässt sich ganz auf das tragische Lebensgefühl ein, das diesen Satz prägt. Schon das volksliedhafte Thema, das Tanejew variiert, klingt schwerblütig und getragen, es entspricht der landläufigen Vorstellung von russischer Melancholie. Und das setzt sich dann vor allem in der dritten Variation eindrucksvoll fort. Doch Tanejew war keineswegs nur ein Gefühlsmusiker. Seine Musik ist klug gestaffelt, seine Kontrapunktik wirkt elementar, der Tonsatz sonor und opulent. Das Trio Goldberg tappt nicht in die Falle eines Dauerespressivos: So rund und schön sein Klang auch ist, so bewahrt er doch eine gewisse Morbidezza, wirkt leicht verschleiert, apart und farbig. Ohnehin muss man sagen, dass die drei für jede der sieben Stationen auf ihrer imaginären Reise zwischen Moskau und Paris einen ganz eigenen Tonfall finden und sich geschickt den verschiedenen Kulturen und Milieus annähern. (...)

Dem Trio Goldberg, das Zoltán Kodálys Intermezzo aus dem Jahr 1905 spielte, gelingt der Spagat zwischen Nostalgie und Aufbruch. Kodály wurzelt in diesem schönen Stück, das ein bisschen wie ein Wanderlied anmutet, zwar noch in der romantischen Tradition; doch ist zugleich schon der herbere Charakter der originalen Bauernmusik zu spüren, die der junge Kodály gemeinsam mit Béla Bartók in genau diesen Jahren zu entdecken und zu erforschen begann. Bei den Goldbergs hört man es bis in die Details der Intonation und Phrasierung, wie sich die Zeiten überschneiden: wie eine Epoche endet und eine neue beginnt. Ein völlig anderer Ensembleklang erwartet uns dann wieder bei Jean Françaix und seinem Streichtrio: Den Kopfsatz nehmen die drei Musiker in so rasantem Tempo, als würden sie im Zeitraffer spielen. (...) Irgendwie passt dieses Perpetuum mobile ideal zur Idee der Reise, denn es weckt Assoziationen an eine Eisenbahnfahrt mit ihren im Eiltempo rotierenden Rädern. Das Trio Goldberg überzeugt hier mit glasklarer Präzision, hinter der aber auch viel Schalkhaftigkeit und Spaß am doppelsinnigen Spiel lauert. Kaum zu glauben, dass hier dasselbe Ensemble am Werk ist, das bei Tanejew so tief melancholisch klang. Und genau das ließe sich auch zu den Stücken von Hans Krása oder George Enescu sagen, die sich ebenfalls auf dieser CD finden. Sie ist ein Triumph der Wandlungsfähigkeit."

bottom of page