"Ich wäre so gerne ein fabelhafter Pianist.“ Diesen schwarzen Flecken auf seiner Karriereweste hat György Ligeti immer wieder angesprochen. Weil er leider in der Kindheit einfach ein allzu fauler Klavierschüler gewesen war, sollte sein Spiel daher später lediglich für den Hausgebrauch reichen. Rückblickend könnte man es schon fast als kleine Rache an der professionellen Pianistenzunft ansehen, dass Ligeti für sie Klavieretüden geschrieben hat, bei denen selbst die Fleißigsten und Talentiertesten rasch an ihre spieltechnischen Grenzen geraten. Nach dem olympischen Motto „Schneller, höher, weiter“ heißt es da etwa in der Etüde Nr. 10 „Prestissimo, staccatissimo, leggierissimo“. Und kaum Zeit zum Durchschnaufen hat man, weil bei der Etüde Nr. 12 „Vivacissimo molto ritmico“ angesagt ist. 18 von solchen Marter- und Hochgeschwindigkeitsstrecken hat Ligeti zwischen 1985 und 2001 geschrieben. Wobei die Quellen nicht nur von der afrikanischen Polyrhythmik über den Jazz und die amerikanische Minimal Music reichen. Wichtiger Impulsgeber dürfte gleichermaßen der von Ligeti in Europa bekanntgemachte Amerikaner Conlon Nancarrow gewesen sein, der das Selbstspielklavier mit absolut irrwitzigen Ideen gefüttert hatte. Angesichts all dieser Vorzeichen muss man nicht nur Nerven wie Drahtseile besitzen, um den Nerv dieser ultrakomplexen Werke zu treffen. Auch über die Flexibilität und Lockerheit etwa eines Bungee-Seils sollte man verfügen, um diesen motorischen Ungeheuern mitreißendes Leben einzuhauchen. All das ist bei der Luxemburgerin Cathy Krier zu bestaunen. Konzentriert, aber eben nie verkrampft, und mit funkensprühendem Spaß an dieser stilistisch wie intellektuell unberechenbaren Klaviermusik meistert sie diese Stücke einfach prächtig. Und kommt es zwischendurch dann doch zu manchen Ruhephasen, wenn Ligeti sich ins Post-Impressionistische zurückzieht, zeigt Krier auch da Klasse und Fingerspitzengefühl."
Guido Fischer, RONDO
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