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Spukgeschichten und Zugvögel

  • Mario-Felix Vogt
  • 30. Aug. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

"Luxemburg ist deutlich kleiner als die Metropolregion von London, dennoch verfügt das Land über einige hervorragende Pianisten. Etwa den brillanten Mozart-Spieler Jean Muller, den umtriebigen Francesco Tristano, der lässig zwischen Bach und Chilly Gonzales pendelt, und last but not least: ­Cathy Krier, die vor allem mit herausragenden Interpretationen von Musik der Moderne auf sich aufmerksam machte.


2008 erscheint Kriers erstes Solo-Album mit Werken von Scarlatti, Haydn, Chopin, Dutilleux und Alexander Müllenbach (*1949), 2014 veröffentlicht sie ein Album mit Rameau und Ligeti. Die Zusammenstellungen mit Kompositionen verschiedener Epochen machen klar, dass Krier die Werke der Moderne zwar sehr am Herzen liegen, sie jedoch das Repertoire der Tradition keinesfalls missen möchte.


Diese Strategie verfolgt sie auch auf ihrem neuen Album. „Piano Poems“ (Klaviergedichte) heißt es und enthält lauter Stücke, die literarisch inspiriert sind. Ravels Zyklus „Gaspard de la nuit“ etwa, der auf drei romantischen Schauergedichten des französischen Dichters Aloysius Bertrand basiert, Liszt-Transkriptionen von Schubert-Liedern, die sich auf Texte von Goethe, Heine und Rellstab beziehen, und Prokofjews Ballettmusik zum „Dornröschen“ des französischen Märchenautors Charles Perrault, aber auch zwei Stücke von zeitgenössischen Komponistinnen. „Ithaca“ stammt von der Griechin Konstantia Gourzi (*1962), es wurde vom gleichnamigen Gedicht des griechischen Lyrikers Konstantínos Kaváfis inspiriert, der darin Homers „Odyssee“ aufgreift. „Ithaca“ besteht aus drei Teilen, die ineinander übergehen. Teil I stellt den Beginn der Reise dar, hier werden die Saiten des Flügels durch Superballs, Klangschalen und Edelsteine zum Klingen gebracht. Teil II repräsentiert die Reise selbst, er besteht aus mehreren auf Tasten gespielten Miniatur-Abschnitten, und Teil III symbolisiert die Ankunft auf Ithaka, hier wird die Reise durch eine mehrfach in der linken Hand wiederholte Figur nochmals reflektiert.


In die Welt der Vögel führt hingegen das Stück „Murmuration“ der Luxemburgerin Catherine Kontz (*1976). Denn das englische Wort „Murmuration“ bezeichnet das Phänomen, dass sich Zugvögel vor ihrem Flug gen Süden auf fast magische Weise zu bestimmten Formationen gruppieren. Ohne sich dabei auf einen konkreten literarischen Text zu beziehen, zeichnet Kontz wunderbar plastisch die Spontaneität und das Flatterhafte der Vögel nach.


Cathy Krier interpretiert die Werke der beiden Komponistinnen mit Brillanz und feinem Sinn für Farben, insbesondere im Spiel an den Saiten. Auch der „Gaspard“ gelingt ihr recht gut, wenngleich sie darin nicht ganz die Pianissimo-Subtilität und die diabolische Wildheit von Martha Argerich erreicht. Deutlich besser schafft sie es, die grotesken und motorischen Momente in Prokofjews „Dornröschen“ herauszuarbeiten, und auch Schuberts „Ständchen“ gerät ausdrucksstark und kitschfern. Gerne würde Cathy Krier die bei uns immer noch kaum bekannten Klavierwerke Gabriel Faurés bald veröffentlichen. Darauf können wir uns schon jetzt freuen."



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