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  • Matthias Keller, BR-Klassik

"Poesie im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident"

"Fünf erste und fünf zweite Geigen, vier Bratschen, drei Celli und zwei Kontrabässe: Das ist die Besetzung eines der vielleicht jüngsten Streichorchester der internationalen Musikszene. Es nennt sich Ensemble Esperanza, und nicht nur seine Mitglieder sind auffallend jung. (...) Und wenn der viel gebrauchte Begriff "jung-dynamisch" irgendwo seine Berechtigung hat, dann wohl hier: Schon der Eingangssatz aus Eduard Toldràs "Vistes al mar" lässt augenblicklich aufhorchen. Selbstbewusst, voll katalanischem Stolz und höchst einfühlsam präsentieren sich diese "Vistes al mar", die "Blicke aufs Meer", als musikalische Erinnerungen des katalanischen Neoklassizisten an eine persönliche Liebesgeschichte. (...) Auch dies scheint ein Merkmal des Ensemble Esperanza zu sein: die Neugier auf Unbekanntes und buchstäblich Unerhörtes. Und ganz nebenbei wird mit dieser Streichersuite auch noch eine Brücke geschlagen zum vorausgegangenen Projekt mit nordischer Literatur: Das Werk des damals gerade 23-jährigen Respighi ist nämlich nicht nur vom Farb- und Formenreichtum der Renaissance inspiriert, sondern auch ganz konkret von Edvard Griegs "Holberg"-Suite. (...) eise das Liebeslied "Chinar es" aus den "Miniaturen" des Armeniers Komitas, aus dem eine unendlich gespannte Zartheit spricht. Der in einer armenischen Siedlung in Anatolien geborene Komitas war Komponist, Priester und Musiksammler in einem. Ähnlich wie Béla Bartók war er fasziniert vom Reichtum folkloristischer Kulturen und sammelte armenische, kurdische, persische und türkische Melodien, die er dann zu eigenen Charakterstücken formte. Poesie zwischen Orient und Okzident Genau an diesem Punkt profitiert das Ensemble Esperanza in besonderer Weise von seiner multi-nationalen Zusammensetzung und dem damit einhergehenden ganz natürlichen Gespür für musikalisch-ethnische Temperamente und Stimmungen. Oder anders gesagt: Da wird nicht nur streng nach Noten gespielt, sondern auch äußerst inspiriert zwischen den Zeilen gelesen und musiziert. Poesie im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident."

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