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  • Guido Krawinkel, Klassik heute

"... am liebsten möchte man gleich wieder von Vorne anfangen."

"Konstruktion und Emotion – zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. Zum einen sind die 30 Variationen überaus planvoll konstruiert, denn was alles in ihnen steckt vermag man nur beim Hören kaum zu ermessen. Die streng symmetrische Anordnung der Variationen etwa oder die Gliederung in drei Blöcke à 10 Variationen sind hier nur die Spitze des Eisberges. Hinzu kommt noch Bachs Variationskunst, die das ewig gleiche Thema in doch immer wieder verschiedenster und kunstvoll verwandelter Gestalt präsentiert. (...) Gould ist immer noch eine Art Referenz, auch wenn es heute Interpretationen gibt, die weitaus weniger radikal, aber garantiert nicht weniger packend sind. Die Einspielung des Pianisten Stepan Simonian könnte dazu gehören, denn er bringt das Kunststück fertig, das Werk einerseits mit größter struktureller Transparenz und bis zur völligen Entsagung nüchtern, andererseits aber auch mit emotionalem Tiefgang und höchst sensibel zu gestalten. Zuweilen ist der Anschlag recht burschikos aber nie unsensibel oder hart, die Artikulation ist sehr konsequent aber alles andere als bloß pedantisch. Simonian findet stets das rechte Maß und entsagt allen pseudovirtuosen Mätzchen. Hier fließt Bachs Musik wie selbstverständlich vor sich hin, Spannungsbögen werden auch über mehrere Variationen hinweg mit Weitsicht gestaltet und dynamische Konturen mit Bedacht geschärft. (...) Sei’s drum, bei Simonians Aufnahme dürfte niemand einschlafen, dafür ist sie viel zu spannend. Am Ende vergehe die 80 Minuten dieser CD wie im Fluge und am liebsten möchte man gleich wieder von Vorne anfangen.


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