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  • Jens F. Laurson, Klassik Heute

"Pianistisches Feuerwerk"

"Beide (Anmerk. Heitor Villa-Lobos und Alberto Ginaster) eher für ihre Orchesterwerke bekannten Komponisten sind hier mit je zwei Werken vertreten, die den geneigten Klaviermusikliebhaber sofort für sie einnehmen wird. Der Brasilianer Villa-Lobos (1887-1959) und der Argentinier Ginastera (1916-1983) wurden beide von der Europäischen Avantgarde beeinflusst, der Stärke ihres individuellen Ausdrucks und ihrer tonalen, auf Kommunikation bedachten musikalischen Sprache war das aber nicht abträglich. Ebenso sind bei beiden Komponisten – analog zu den Ethnoforschern Bartók, Saygun oder Enescu – traditionelle heimatliche Musik und Volksweisen in die Arbeit eingeflossen. Bei Villa-Lobos generell freier und häufiger verwendet, bei Ginastera etwas konstruierter und seltener. Bei dieser Aufnahme könnte allerdings der genau umgekehrte Eindruck entstehen: Villa-Lobos, zwar farbenfroh, also ein Komponist, der in einem durchaus in Europa zu verortenden Stil (zwischen Strawinsky und Mompou) schreibt und Ginastera als jemand, der in den Danzas Argentinas (1937; aus seiner stilistischen Zeit des „Objektiven Nationalismus“ ), ganz das Versprechen des Titels erfüllend, seine südamerikanische Seite gänzlich und ungebändigt zum Vorschein kommen läßt. Seine Sonate Nr. 1 op.11 (1952 -inzwischen sind wir in seiner Phase des „Subjektiven Nationalismus“ angekommen), ist etwas abstrakter, etwas strukturierter. Die weiten Dimensionen eines eben südlichen Americana (à la Aaron Copland) treffen auf mechanische Beharrlichkeit die an George Antheil erinnert. Das von Villa-Lobos‘ Artur Rubinstein gewidmete Rudepoêma („Wildes Gedicht“) ist eine überschäumende und eben wilde Komposition mit Le Sacre du Printemps als offen ausgegebenem (und gegen Ende des Stückes auch als solches deutlichem) Vorbild. Von brasilianischer Volksmusik beeinflusst ist es eher in der Geste als im Ton. Hier steht Woyke der bisherigen Referenzaufnahme von Nelson Freire (Warner, 1974) in nichts nach; er läßt den Farben ein wenig mehr Raum zum atmen, spielt aber deswegen nicht weniger virtuos. Ciclo Brasileiro („Brasilianischer Zyklus“) ist mit seinen vier heterogenen Sätzen vielleicht noch beeindruckender und errinnert an alle möglichen Facetten, die in die Musik Villa-Lobos‘ eingeflossen sind, von ‚Debussy unterm Kautschukbaum‘ bis Edgar Varèse. Einerseits in der Auswahl der Werke, aber auch auf Grund des pianistischen Feuerwerks (gepaart mit Nuance und Tiefgründigkeit) das Woyke hier zündet, ist dies eine mit jedem Abspielen beeindruckendere CD."

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