Wer die Szene wirklich sehr gut kennt, hatte schon von dem Projekt gehört und war vielleicht schon bei der konzertanten Vorpremiere in der vergangenen Saison dabei. Aber nun steht der offizielle Release von Cathy Kriers neustem musikalischem Streich an. „Piano Poems“ ist ab dem 6. September im gut sortierten Fachhandel und natürlich den Streamingplattformen erhältlich.
Und so stark posierend die Bildsprache rund um den Release mit einem fast schon puppenhaften Look und Werbe-Videos voller Eleganz auf YouTube auch sein mag, wirkt der Klangeindruck des Albums dann im Vergleich äußerst natürlich.
Und genau dieser musikalisch-natürliche Klangeindruck ist Krier neben der Vielschichtigkeit dieses Emotionsbeckens, das sie erschafft, ungemein wichtig: „Ich hasse die Atmosphäre von Tonstudios. Alles viel zu trocken. Dann lieber ein Raum mit Charakter. Und die Luxemburger Philharmonie war so freundlich, mir einmal mehr den Kammermusiksaal und diesen besonderen Steinway D-Flügel zur Verfügung zu stellen“.
Auf technische Spielereien bei der Aufnahme und sehr tiefe Klangverfeinerungen ihres Tonmeisters Holger Busse, der auch Geschäftsführer ihres Labels ist, hat sie oft genug verzichtet; auch wenn die Möglichkeiten dazu bestanden hätten. „Hörbarer, schwerer Atem oder so, das würde mich auf meiner Aufnahme stören. Und da lasse ich mir auch Zeit, die Aufnahme ein paar Monate nach der Einspielung nochmals bewusst anzuhören und mit dem Tonmeister beim Mastering darüber zu sprechen. Aber zum Beispiel das Zusammenschneiden verschiedener Passagen aus unterschiedlichen Takes will ich nicht. Da geht die Agogik des Moments verloren“, betont die Luxemburger Pianistin, die zu den musikalischen Aushängeschildern des Landes gehört.
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Ist das nach ihrer so dichten Huldigung an Ligeti nun ein bewusstes Herzensalbum, das die Zuhörerinnen und Zuhörer als poetischen Spannungsbogen durch unterschiedlichste Klangwelten fesseln soll? Technisch gesehen sucht sie sich nicht gerade die leichtesten Stücke aus. „Jeder Pianist weiß, welche Tücken Ravels ,Gaspard de la Nuit’ zum Beispiel hat“, gibt sie zu. Aber damit nicht genug.
Die Herangehensweisen der Komponistinnen und Komponisten an das Thema Poesie könnte nicht abwechslungsreicher sein, betont sie im Interview. Mal sind es Nacherzählungen mit musikalischen Mitteln, mal zusammenfassende Reflexionen, mal Fragen an das Spannungsfeld zwischen Emotionsäußerung, Annäherungen an psychische Zustände, poetische Metrik oder die Sprachmelodie. So ist dieser Bogen nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch ein emotionales Wechselbad.
„Als Pianisten haben wir das große Glück, auf ein unglaublich breites Repertoire zugreifen zu können. Und doch wird nur oft ein Bruchteil dieser riesigen Masse wiederholt. Mir war es wichtig, damit zu brechen, eine Zusammenstellung zu liefern, bei der das Konzept überzeugt, Neues entdeckt und in den Dialog gebracht wird“, sagt Krier.
Apropos neu: Die luxemburgische Komponistin Catherine Kontz schrieb ihr „Murmaration“ im Rahmen von Esch 2022 quasi auf Maß. „Das passte dann auch gleich sehr gut in die Albumidee“.
Und Konstantia Gourzi? Die griechische Komponistin, Dirigentin und Professorin an der Hochschule für Musik und Theater München wurde von der Philharmonie 2023 mit einem Kompositionsauftrag für Krier bedacht. Ihr Stück findet sich nun als Weltersteinspielung auf dem Album. „Ich hatte von Bekannten von ihr gehört, aber wir waren uns vorher nie begegnet. Als es dann so weit war, hat sie und ihre Arbeit mich total begeistert“, sagt Krier.
Und man hört auf der Aufnahme, wie stark sich die Pianistin Mühe gibt, den Klangforderungen Gourzis in „Ithaca Op. 104“ nachzukommen. „Sie hat sich wirklich an der Gedichtstruktur von Konstantinos Kaváfis orientiert. Die zehnjährige Irrfahrt von Odysseus, der von Ithaka in den trojanischen Krieg zog und nach zahlreichen Abenteuern schließlich auf seine Heimatinsel zurückkehrte, wir hier metaphorisch thematisiert. Diese Struktur wird in ihre Musik übernommen – und doch findet sie eine ganz eigene ,Sprache’ für diese Reise.
Insgesamt nutzt Krier die maximale Länge einer klassischen Audio-CD von 74 Minuten für diesen poetischen Reigen vollkommen aus, um diese Variationen im Umgang mit der Poesie zu zeigen. Drei Aufnahmetage um Allerheiligen 2023 verschlang das Einspielen – von der Postproduktion einmal ganz abgesehen. Ohne finanzielle Mithilfe des Luxemburger Kulturministeriums und Fördermittel der Fondation Indépendance der BIL und der Anwaltskanzlei Wirtz wäre das nicht möglich gewesen.
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Krier lässt sich Spielräume: „Ich bin immer offen für Vorschläge mit Veranstaltern und anderen Kulturschaffenden. Aber ich habe mich zum Beispiel ganz bewusst dazu entschieden, die Texte, die in Bezug zu den Stücken stehen, zunächst dem Publikum nicht direkt zur Verfügung zu stellen. Gerade in diesem Fall dachte ich, dass die Musik aussagekräftig genug ist und damit ganz im Fokus stehen kann. Und jeder, der danach gerne die Gedichte lesen möchte, kann sie sich dann in der Sprache, die ihm am besten liegt, zukommen lassen und sich dann damit auseinandersetzen.“
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