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  • Beate Stender, rbbKultur

"Eine packende, gelungene Einspielung."

Album der Woche vom 25.04. bis 01.05.2022

"Der Berliner Pianist Julius Asal gehört zu den vielversprechendsten jungen Interpreten, die gerade am Horizont neu auftauchen. Jetzt ist sein Debütalbum "Prokofiev" erschienen, das er in der Pandemiezeit eingespielt hat – und für das er sich sehr intensiv mit drei Klavierzyklen von dem russischen Komponisten auseinandergesetzt hat.


"Generell habe ich echt ein Jahr lang jeden Tag acht bis zehn Stunden mit Prokofiew verbracht. Und es gab auch sonst nichts! Ich hatte plötzlich keine Konzerte mehr. Ich glaube, dieses Album kommt wirklich aus einer Pandemiestille, die ich auch gebraucht habe. Es wäre anders überhaupt nicht möglich gewesen!"

So Julius Asal. Für sein Debütalbum hat er Prokofiews "4 Klavierstücke" op. 4 und die spät komponierten "Gedanken" op. 62 ausgewählt sowie die Klaviersuite "Romeo und Julia", die im Mittelpunkt des Albums steht. Ein programmatischer Aufbau.


"'Romeo und Julia' wird oft aufgefasst als Liebesgeschichte in Schnörkelschrift. Und das ist eigentlich nicht nur tragisch - was da passiert ist total finster. Dieses gesamte Setting wollte ich gerne einfangen mit diesen frühen Klavierstücken und den dann doch sehr folgenschweren, introvertierten Gedanken, die nie gespielt werden." Finster und introvertiert ist Julius Asal die Musik von Prokofiew aber nicht angegangen, im Gegenteil. Vor allem die vielschichtige Musik von "Romeo und Julia" schillert nur so vor Farben und Details. Dabei setzt Julius Asal in seiner Interpretation auf Kontraste. Zum Beispiel in dem Stück "Julia als Kind", wo er die junge Julia schon fast überspitzt fröhlich darstellt – bevor er abrupt umschwenkt und impressionistisch in Gedanken versinkt. "Habe ich die Szenen vor Augen gesehen? Eigentlich nicht. Ich glaube, ich bin jemand, der in Strukturen und Formen geradezu architektonischen Gebilden denkt oder die vor Augen hat, wenn er Musik spielt, gerade bei einer manchmal fast schon futuristischen Musik wie der von Prokofiew."

Um die musikalischen Strukturen in "Romeo und Julia" noch stärker herauszuarbeiten, hat Julius Asal die Klaviersuite erweitert. Prokofiew hatte ursprünglich nur 10 Stücke aus der Orchesterfassung für Klavier transkribiert. Julius Asal hat noch sechs weitere Stücke hinzugefügt. Für die Transkription ist er einen ungewöhnlichen Weg gegangen: er hat über die Orchesterfassung frei improvisiert. "Bis ich neun Jahre alt war, konnte ich keine Noten lesen! Ich hab´ alles nach Gehör gemacht und irgendwie waren meine ersten Schritte einfach das Improvisieren. Das hat sich bis heute gehalten. Ich glaube, dass das auch der Grund, warum das auch ohne Kompositionsstudium und ohne, dass ich überhaupt etwas transkribiert hätte, überhaupt möglich war!"


In einem zweiten Arbeitsschritt hat Julius Asal seine Improvisationen aufgenommen und erst beim Abhören die Noten dazu aufgeschrieben. Nur bei den beiden Stücken "Der Kampf" und "Der Tanz der Paare" wusste er sofort, wie der Notentext aussehen muss. "Das ist so ein perkussiver Ansatz gewesen, von dem ich sofort vermutet hatte, dass diese Tonsprache von Prokofiew nicht festgelegt ist auf eine bestimmte Instrumentengruppe, sondern so universell ist, dass das Klavier das wunderbar aufgreifen und sogar imitieren kann."

Vor allem am Schluss der Suite, wenn Romeo und Julia sterben, fährt Julius Asal sein gestalterisches Können richtig hoch. "Gerade das Ende von dieser Suite ist ein echtes Vakuum - da gibt´s nichts mehr. Das ist eigentlich so ergreifend und schockierend, dass da gar kein Platz mehr für Traurigkeit oder allzuviel Empfindsamkeit bleibt. Das Auflösen, das ist absolute Fassungslosigkeit!" Eine packende, gelungene Einspielung. Julius Asal hat die vielen Gesichter in Prokofiews Musik so klar und mehrschichtig herausgearbeitet, dass "Romeo und Julia" auf berührende Art und Weise lebendig werden - und ihre Geschichte, obwohl man sie schon kennt, noch lange nachhallt."






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