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  • Dr. Ingobert Waltenberger, online merker

"spannende ungewöhnliche Reise"

"Die drei Musiker (Liza Kerob Violine, Federico Hood Bratsche, Thierry Amadi Cello) spielen auch an jeweils ersten Pulten im Orchestre Philharmonique de Monte Carlo zusammen. Neugier und Repertoiresorgfalt ist ein großes Atout des Ensemble, einte schon ihre CD „De l’Ombre á La Lumière“ unterschiedliche Kompositionen von Gideon Klein, Ernö Dohnányi, Mieczyslaw Weinberg und Jean Cras. Auf der Strecke Moskau-Paris mäandert das Trio durch Rumänien (George Enescu „Aubade“), Ungarn (Zoltán Kodály „Intermezzo“), bis nach Wien (Joseph Haydn „Streichtrio“ in G-Dur Op. 53 Nr. 1, Franz Schubert „Streichtriosatz“ in B-Dur, D 471) als auch Nordböhmen (Hans Krása „Tanz“). „Tanec“, das vorletzte Werk von Krása, ist 1943 für ein internes Streichtrio im KZ Theresienstadt entstanden. (...) Die CD startet mit dem zweisätzigen „Streichtrio“ in h-Moll aus dem Jahr 1913 von Sergeij Ivanovich Tanejev. Vom zweiten Variationensatz blieben die Teile vier bis sieben unvollendet, konnten aber rekonstruiert werden. Das Tanejev der Verfasser des Lehrbuchs „Der imitierende Kontrapunkt im strengen Stil“ war, lässt sich beim Anhören des ersten Satzes „Allegro“ unschwer nachvollziehen; Imitationen, Sequenzen, die Stimmen gehen Allianzen und Mesallianzen ein, der Satz ist voll komplexer Dichte. Das Allegro zeugt von spätromantischer Unrast, fiebrigem Getriebensein, innerer Aufruhr. Da sucht einer die Musik seiner Seele und findet statt Melodien rhythmisch akzentuierte Mehrstimmigkeit. In den Variationen auf ein russisches Volkslied (?) zeigt sich Tanejevs technisches Können, aber auch eine dunkle Schwermütigkeit und sturen Übermut. Tanajev starb 1915 an einer Lungenentzündung, die – sagt man – auf die Teilnahme am Begräbnis seines Schülers Alexandr Scrjabin zurückzuführen ist. Ein Zeitensprung vorwärts und Ortswechsel in Richtung Westen führt uns ins Paris des Jahres 1933. Der 21-jährige Jean Françaix formt in seinem viersätzigen Streichtrio in C-Dur den musikalischen Ton zu flüchtigen, rasch sich wandelnden Klangskulpturen. Eine federnde Unruhe, das keck launische Plätschern selbstverliebter Stadtlandschaften, der in alle Richtungen flirtende Seitenblick bestimmen die Atmosphäre der ersten beiden Sätze. Im Andante kehrt Sonntagsruhe ein. Wie ein Wiegenlied wacht die sanfte Melodie über die noch Ruhenden. Im Rondo wird wieder Bein gezeigt, der Asphalt hallt von den Schritten der Flanierenden, dem Tempo ihrer Sehnsüchte und Leidenschaften wieder. Elegant Höfisches aus dem 18. Jahrhundert bildet die Mitte und den Ruhepol der CD. Joseph Haydns „Streichtrio“ in G-Dur. Dabei wirkt das „Allegretto e innocente“ keineswegs unbedarft wie es die witzige Tempobezeichnung suggerieren könnte. Die Widmungsträgerin Prinzessin Marie Esterházy wurde1783 als 15 jährige mit Fürst Nikolaus II Esterházy verheiratet, der nach der Hochzeitsnacht alleine einen siebenmonatige Italien-Tour antrat. Ob das ein Glück oder Unglück für die junge Marie war, wissen wir nicht. Virtuos verspielt stürzt sich das Ensemble ins finale Presto des wie stets mit Stimmungen und Harmonien experimentierfreudigen Haydn . Ein kurzes violinlastiges „Intermezzo“ aus 1905 von Zoltán Kodály leitet über zum 90 Jahre vorher entstandenen Streichtriosatz in B-Dur von Franz Schubert. Warum Schubert das Trio fragmentarisch beließ, darüber darf spekuliert werden. Im Booklet werden zwei Ereignisse angeführt, die den Komponisten dazu veranlasst haben könnten, das Stück einfach aus den Augen, aus dem Sinn zu verlieren: Er verließ die ungeliebte Stelle als Hilfslehrer an der Schule seines Vaters und er brach den Unterricht bei seinem langjährigen Kompositionslehrer Antonio Salieri ab. Ein Klanggewitter entlädt seine Blitze über den Hörer im „Tanec“ von Hans Krása. Was für ein düster aufbegehrendes Winken des Eingeschlossenen 43-jährigen Künstlers, der uns hinter dem tödlichen Stacheldraht des KZ Theresienstadt einen seiner letzten Grüße schickt. In der Musik explodiert das Groteske, vollziehen knallig aufeinander prallende dissonante Akkorde wilde Verrenkungen, liefern einander ans Messer. Im krassen Gegensatz dazu klingt das Album mit einer „Aubade“ des jungen George Enescu aus. In diesem anmutigen Morgenständchen an eine geliebte Person ahmen Bratsche und Cello mit gezupften Akkorden eine Gitarrenbegleitung nach. Da im Stück auch die Königshymne „Imnul Regal“ anklingt, darf geschlossen werden, dass die Komposition der rumänischen Königin Elisabeth zu Wid huldigte, die Enescu als zweite Mutter bezeichnete. (...) Für das Album spricht die stupende Musikalität des Trios, der hohe Repertoirewert, die spannende ungewöhnliche Reise mit Kopfhörer, Kutsche und Bahn." Zur CD-Besprechung


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