"Was für eine herrlich leichte und unangestrengte Tenorstimme! Was für ein angenehmes Timbre mit angenehm wenigem Vibrato! Was für mühelose Höhen auch bei unangenehm zu singenden Vokalen wie „u“! Was für eine Klarheit, Reinheit und Helle! Was für eine perfekte Voix mixte! Was für eine genaue Artikulation! Was für genau gestanzte Verzierungen! Was für ein klingendes Piano! Tilman Lichdi hat wohl eine der schönsten Tenorstimmen der jetzigen Zeit. Die ist für Schuberts Lieder und auch dessen Winterreise eigentlich wie geschaffen. Schon das erste Lied Gute Nacht zeigt Lichdis Lesart: nicht überinterpretierend, nicht überphrasierend, nicht überdramatisch überartikulierend, sondern einfach mitfühlend erzählend, immer dem Duktus der Melodie folgend und so manche Kommatas dabei übersingend, bisweilen in die Nähe zum Wandervogel, zum Naturburschen, zum Müllersburschen aus Die schöne Müllerin geratend, bisweilen das Naive streifend. (...) Genau dazu passt die Version auf dieser CD mit einer Gitarrenbegleitung statt eines Klaviers. Das passt genau zum Wanderburschen-Image. Und man hört voller Staunen, wie gut diese Adaption ist. An manchen Stellen klingt die Schubert‘sche Klavierbegleitung eh an eine Gitarre an. Klaus Jäckle gelingt das Kunststück, nicht nur die Klavierbegleitung notengenau auf die Gitarre zu übertragen, sondern manchmal sogar präzisere Wirkungen zu erzielen. So zelebriert Jäckle geradezu jeweils Übergänge von Moll zu Dur und umgekehrt. So realisiert Jäckle mit der Gitarre genau Schuberts Vortragszeichen, die so manche Klavierbegleiter immer ins Schnelle übersehen. Die Staccati in Auf dem Flusse wirken gezupft doppelt staccatohaft, das Lockende der Triolen im verlockenden Irrlicht kommt deutlich heraus, das Krähen der Hähne im Frühlingstraum wirkt klirrend kalt und schön betonte Jäckle hier die Basslinien. Das Trübe der Wolke in Einsamkeit steckt schon im trostlos-harten Gezupfe drin. Vollends überzeugend ist das letzte Lied, der so unendlich trostlose Leiermann. Tilman Lichdi schaltet sein geringes Vibrato ganz herunter, bleibt aber noch im melodischen Singen, verrät nicht die Musik an bloßen Sprechgesang. Gleichzeitig lässt er sprachlich mit lange knurrendem „r“„die Hunde knurren“ und am Ende entgleitet ihm – aber genau berechnet – der Rhythmus etwas, lässt er die Melodie schneller laufen - als ob die Leier leer liefe. Dazu zupft der Gitarrist diese leeren Akkorde, die aber auf der Gitarre immer klingen: Das Letzte, das Düsterste, das Leerste, der Tod, geht voll in Musik auf. Die Musik hat das letzte Wort. Wunderschön und ergreifend."