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  • Dr. Ingobert Waltenberger, online merker

"abseits des Mainstreams hält Katsaris das Interesse und die Spannung des Hörers bis zum Schlus

"Der französische Pianist und Komponist Cyprien Katsaris stellt auf 6 CDs in chronologischer Reihenfolge Werke von den ersten bis zur letzten Kompositionen von Ludwig van Beethoven vor. Das waren „Neun Variationen über einen Marsch von Dressler“ (1782) des 12-jährigen Komponisten und ein Musikalischer Scherz „Wir irren allesamt“ WoO 198 vom 3. Dezember 1826 bzw. die Skizze zu einem „Streichquintett in C-Dur“ in einer Bearbeitung für Klavier von Anton Diabelli. Dazwischen gibt es viel Seltenes nicht nur von, sondern auch nach Werken von Beethoven zu hören, wie Transkriptionen von Modest Mussorgsky (Streichquartett Nr. 16 in F-Dur) oder Richard Wagner (Adagio aus der 9. Symphonie). Die Box enthält aber auch schwere Kaliber wie acht der insgesamt 32 Klaviersonaten. Die Chronologie richtet sich streng nach Beethovens Originalkompositionen und nicht nach dem Datum, wo die Transkription entstanden ist. Mit dieser sehr persönlichen Auswahl überwiegend abseits des Mainstreams hält Katsaris das Interesse und die Spannung des Hörers bis zum Schluss wach. Gewohnt Pionier zu sein – man denke etwa an die maßstabsetzende Einspielung der 9 Symphonien in den hochvirtuosen Bearbeitungen von Franz Liszt aus den 80-er Jahren – legt Katsaris auch hier frisch von der Leber los. So etwa bei der „Musik zu einem Ritterballett“ in D-Dur oder dem zu einer großen Klaviersonate umfunktionierten „Streichtrio in Es-Dur“ Op. 3. Das Auswahl des Cyprien Katsaris beschränkt sich nicht nur auf einzelne Gesamtwerke, sondern erlaubt es sich zudem, nur einzelne Sätze in die Anthologie aufzunehmen. So geschehen etwa mit dem „Rondo“ aus der „Cellosonate“ Nr. 2 in g-Moll (Transkription Louis Winkler), dem „Tempo di Menuetto“ aus dem „Septett“ in Es-Dur für Violine, Bratsche, Klarinette, Horn, Fagott, Cello und Kontrabass (Transkription Franz Liszt) oder beim „Adagio ma non troppo“ aus dem „Streichquartett“ Nr. 6 in B-Dur (Transkription Camille Saint-Saëns). Bei den großen Sonaten Nr. 14 „Mondschein“ in c-Moll, Nr. 17 „Der Sturm“ in d-Moll oder Nr. 23 „Appassionata“ in f-Moll kann Katsaris seine Emotionen voll ausleben. Er liebt den großen Ton, was die Piani in umso zarterem Licht glänzen lässt. Die langsamen Sätze nimmt Katsaris generell breit, im guten Sinne altmodisch romantisch, dafür ist ein Presto wirklich eine rasante Fahrt. Da heiß es „anschnallen bitte“. Auf jeden Fall ist Katsaris ein begnadeter musikalischer Geschichtenerzähler. Kreatürlich in der Phrasierung, fantasievoll und spontan in den dynamischen Kontrasten, federleicht im Anschlag, von einer stupenden Technik gepaart mit einer ungebrochenen Frische des Spiels. Die Box enthält auch Kurioses, wie das Stück „Alla Ingharese quasi un Capriccio“ in G-Dur Op. 129, wo Beethoven seinen „Wut über den verlornen Groschen“ in einer Kaprice austobt oder den „Yorckschen Marsch für die böhmische Landwehr“ aus dem Jahr 1809, benannt nach dem preußischen General Ludwig Yorck von Wartenburg; ein bis heute in Deutschland beliebtes Stück. Ich finde die Idee von Katsaris grandios und auch künstlerisch hoch lauter, nur das von Beethoven aufzunehmen, was ihm sein Talent, seine Pranke, sein innerer Wegweiser nahelegen. Das ist auch kurzweiliger zu genießen, als all die vielen Gesamtaufnahmen, wo Stars notgedrungen auch jene Werke interpretieren, die ihnen weniger liegen, mit folglich eher pauschalen Ergebnissen."


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