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  • Thomas Baack, Klassik Heute

"Klare Empfehlung" - 10 10 10

Beethovens originale Trio-Fassung stellt manuell außerordentliche Anforderungen an die Interpreten. Die Streicher müssen farblich vielfach als Bläsersolisten fungieren, benötigen deshalb eine breite Palette von Strich- und Artikulationsarten. Dem Pianisten obliegt es, den ungemein vollgriffigen Satz mit achtstimmigen repetierten Akkorden, so schlank und differenziert zu spielen, dass der die Streichkollegen nicht im Gedonner ertränkt. Das Es-Dur Trio op. 70/2 wird von allen Trios Beethovens wohl am seltensten gespielt. Wenn man ihm einen Namen geben wollte, könnte man es „Die Zeitreise“ nennen. Es beginnt mit einer langsamen Einleitung, der ein gregorianisch inspirierter Stile-antico-Kanon einen retrospektiven Charakter verleiht und der auch die Sonaten-Entwicklung des Kopfsatzes mehrfach unterbricht. Der erwartete langsame Satz und das Scherzo wurden durch zwei Allegretti ersetzt. Das Erste verwendet die von Haydn gern gebrauchte Doppelvariationstechnik mit einer Gavotte in Dur und einem ungarisch anmutenden Moll-Kontrastthema, zu dem der Komponist nach Aussagen seines Schülers Carl Czerny durch kroatische Musikanten inspiriert wurde. Das ländlerartige Zweite umfasst einen an Gabrielis Chori-spezzati gemahnenden dialogischen Einschub, aber auch einen harmonisch raffinierten Triolenabschitt, der bereits die Impromptus Schuberts vorausahnt. Das Finale beginnt wiederum bachisch-barockisierend und löst sich dann in Rondo-Heiterkeit. Somit passt das Es-Dur-Trio nirgendwo in das Klischee des Titanen, der hier ganz einfach nur spielen will. Dem Beethoven-Trio-Bonn gelingt – wie schon in Vol. 1 – eine meisterliche Interpretation des zweiten Trios aus op. 70 auf allerhöchstem Niveau. Die Sensation ist jedoch die Bearbeitung der zweiten Sinfonie, die Verläufe und Strukturen hörbar macht, die in der opulenteren Orchesterfassung leicht untergehen. Auch zwingt die reduzierte Besetzung zu konzentrierterem Zuhören. Aufnahmetechnik und Booklet-Text halten dieses hohe Niveau. Fazit: Während es vom Es-Dur Trio mehrere vorzügliche Interpretationen gibt, ist die schlanke und ungemein präzise, spannende Einspielung der Sinfonie-Bearbeitung eine echte Trouvaille. Besonders auch deshalb, weil Jinsang Lee es versteht, den wahrlich an Brahms und Reger gemahnenden fetten Klaviersatz transparent zu halten. Volle Punktzahl. Klare Empfehlung.

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