Cathy Krier: György Ligeti, Études pour Piano.
Wahnsinn, Teufelswerk, Froschquaken
György oder Jean-Philippe, Rameau oder Ligeti, "Platée" oder Klavieretüden? Die Frage, welches Klassikalbum das abgelaufene Seuchenjahr besonders erträglich gemacht hat, lässt sich nicht entscheiden. Und muss auch nicht entschieden werden, schon aus musikalischen Gründen. Hat sich nicht Claude Debussy durch seinen Vorgänger zur "Hommage à Rameau" anregen lassen und Rameaus Geist dann auch in den "Études" beschworen, die unüberhörbar eine Inspirationsquelle für Ligetis 18 Etüden sind, einem der ganz wenigen Klavierwerke nach 1945, die auch das breite popaffine Publikum faszinieren können? Voilà, so einfach und verschlungen kann Musikgeschichte sein. Nach den von Cathy Krier luminös und vulkanisch gespielten Ligeti-Zyklus (Avi) wirkt die "Platée" wie eine genauso aufgedrehte ältere Schwester. Platée wird von einem Mann gesungen, in William Christies Aufnahme (Harmonia Mundi) gibt Marcel Beekman diese hässliche Nymphe, die glaubt, dass ihre (echte) Liebe zu Jupiter erwidert würde, aber der Götterchef macht sich nur einen bösen Spaß. Wahnsinn, Teufelswerk, Froschquaken, Unordnung, Wirbel, Atemlosigkeit und Lebensjubel ist beiden Stücken Lebenselixier. Und Ligeti gibt sich alle Mühe, auf nur einem Klavier jenes Feuerwerk zu veranstalten, das Rameau mit seinen schnell wechselnden Tänzen, Kurzarien, Choreinwürfen und Sturmmusiken entfacht: immer exaltiert, immer melancholisch, immer verführerisch. Mit diesen beiden Alben wird sich auch der feuerwerksfreie Silvesterabend wunderbar durchstehen lassen.
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