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  • Norbert Florian Schuck, Klassik heute

"eine Meisterin der Herbst- und Abendstimmungen"

"Bonis, die ihren Vornamen auf Veröffentlichungen zum geschlechtsneutralen „Mel“ verkürzte, gelangte im französischen Musikleben durchaus zu Ansehen. Saint-Saëns beispielsweise zeigte sich von ihrem Klavierquartett Nr. 1 so beeindruckt, dass seine Vorurteile gegen Komponistinnen dadurch hinfällig wurden. Ihre größten Erfolge konnte Bonis in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts feiern. Nach dem Ersten Weltkrieg musste sie, wie viele Komponisten ihrer Generation, erleben, dass ihr Stil aus der Mode geriet und sie noch zu Lebzeiten vergessen wurde. Gerade weil sie in jenen Jahren ungebrochen produktiv blieb, bereitete es ihr großen Kummer, das ihre Musik nicht aufgeführt wurde.


Lange Zeit vergessen, wird Bonis' Schaffen seit einigen Jahren dem Musikleben zurückgewonnen. Ihre Klaviermusik liegt mittlerweile beim Furore-Verlag in elf Bänden vor. Aus diesem reichen Fundus präsentiert Myriam Barbaux-Cohen eine Auswahl von 18 Stücken unter dem Titel „Memoires d'une Femme‟. Die Werke sind, der Idee einer Autobiographie entsprechend, chronologisch geordnet, vom Walzer Étoiles op. 2 aus dem Jahr 1884 bis zu den 1928 komponierten Cloches lontaines op. 121. Sie umspannen mithin viereinhalb Jahrzehnte, und damit nahezu das ganze Künstlerleben der Komponistin. Ihrem Stil ist Mel Bonis im Laufe dieser Zeit stets treu geblieben. Bis zuletzt blieb sie eine Künstlerin der Belle Epoque. Ihre Klavierwerke durchzieht durchweg ein melancholischer Unterton, der in den späteren Stücken immer dominanter hervortritt. Sie ist eine Meisterin der Herbst- und Abendstimmungen, der schattigen Idyllen, der stillen Klagen in der Einsamkeit. Formal herrscht unter den Stücken durchaus Abwechslung: von rund zweiminütigen Miniaturen bis zu La Cathédrale blessée op. 107, einer neunminütige Fantasie über das Dies Irae.


Myriam Barbaux-Cohen identifiziert sich voll und ganz mit der von ihr dargebotenen Musik, wie unmissverständlich aus dem im Beiheft mitgeteilten Brief hervorgeht, den sie über die Schranken der Zeit hinweg direkt an die Komponistin geschrieben hat. (...)

Was das rein pianistische Handwerk betrifft, so ist die Pianistin über jeden Zweifel erhaben. Auch vermag sie dem Klavier die Vielfalt an sorgfältig abgestuften Klängen zu entlocken, die für die Aufführung solch klangsinnlicher Musik nötig ist."




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