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Kai Luehrs-Kaiser, RONDO

Gefragt: Interview mit dem Bratscher Diyang Mei

Das Riesending


Dem Bratscher Mei, erster Chinese bei den Berliner Philharmonikern, gelingt mit dem Konzert von York­Bowen ein echter Coup.

                                                                                                                                       

„Mysteriös“, so fand der chinesische Bratscher Diyang Mei den Klang seines Instruments. Und legte die Geige weg. „Ich war ein kleiner Junge und wollte größer werden“, scherzt er. Er wählte sich ein größeres Instrument. „Ein Riesending“, für ihn damals. „Ich konnte zunächst gar keinen guten Klang darauf finden“, so der 1994 in Hunan geborene Musiker. Das weckte seinen Ehrgeiz. Heute ist Diyang Mei der erste chinesische Musiker in den Reihen der Berliner Philharmoniker. Als Solo-Bratscher steht er in einer Reihe mit illustren Vorgängern wie Wolfram Christ, Ulrich Koch und Giusto Cappone.Kennt auch kein Mensch!? Nun, das liegt an der stiefmütterlichen Behandlung eines Instruments, das hauptsächlich in Witzen zu Ehren kam: „‚Wie heißt die Bratsche auf Arabisch?‘ – ‚Is lahm.‘“ Darüber können Bratscher schon lange nicht mehr lachen. Und müssen sich in Gestalt der Viola-Konzerte von Bartók und Hindemith mit Repertoire-Klassikern zufriedengeben, die in der Programmplanung als Kassengift gelten. Arme Bratsche. Schöne Bratsche!Auf seinem neuen (nicht etwa ersten) Solo-Album hat Diyang Mei nun einen Coup gelandet. Mit dem Bratschenkonzert von York Bowen spielt er eines der schönsten und zugleich unbekanntesten Werke seines Instruments. Der ganze Komponist ist unbekannt. Bowen, jüngster Sohn eines Londoner Whisky-Fabrikanten, wurde von Camille Saint-Saëns gelobt, musizierte gemeinsam mit Fritz Kreisler und ist – als Komponist – so britisch wie alles, was von dort kommt. Der warme Golfstrom, welcher ganz England verwöhnt und es zum Blühen und Gedeihen bringt, scheint warm und anheimelnd durch das Werk zu plätschern. Was für ein wunderbares Konzert!Davon, es jemals mit den Berliner Philharmonikern aufzuführen, träumt wahrscheinlich nicht einmal Mei selbst. Da stehen die Chancen bei dem bekannteren Bratschenkonzert von William Walton schon besser. Die Deutsche Radio Philharmonie unter Brett Dean (auch er ein ehemaliger Philharmoniker) macht einstweilen einen exzellenten Job. Kantabler, nahbarer und wohlklingender kann Musik des 20. Jahrhunderts nicht klingen. Genau deswegen hatte es York Bowen unter den dogmatischen Auspizien der Avantgarde ja auch so schwer.Mysteriös übrigens konnte die Bratsche dem Solisten auch deswegen erscheinen, weil Instrumente seiner chinesischen Heimat meist viel heller klingen. „Man kann den Klang der Bratsche viel stärker selbst bestimmen als bei vielen anderen Instrumenten“, ergänzt er. Das liege daran, dass es keine festgelegten Maße für das Instrument gibt. „Meine Antonio Mariani von 1646 etwa ist 42 cm groß. Eine gefragte Größe, aber nicht die einzige.“ Die größten Bratschen bringen es auf 46,5 cm, der Klang ist entsprechend dunkler. „Die kleinsten Bratschen, die ich gesehen habe, waren mit 39 cm kaum größer als eine Geige.“ Kein Wunder, dass man im Orchester immer zwei Mal hingucken muss. „Je größer das Instrument, desto mehr hat man – je nach eigener Körpergröße – zu kämpfen.“ Davon ist bei diesem Album nichts zu merken. Sie enthält eine der schönsten Neuentdeckungen der letzten Jahre."



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