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  • Verena Düren, Klassik Heute

"genau das Richtige für die dunkle Jahreszeit"


"Die dunkle Jahreszeit hat begonnen, die Zeit des Rückzugs (teils erzwungen) – Zeit also für ein gutes Buch oder aber gute Musik in den eigenen vier Wänden. Erfreulicherweise muss man sich mit der neuen Aufnahme der Harfenistin Julia Wacker gar nicht für das ein oder andere entscheiden, sondern findet beides vereint auf einer CD. „Edgar Allan Poe und die Harfe“ heißt diese – eine Kombination, die wohl für die Wenigsten auf der Hand liegt. Kaum jemand wird die gruseligen Geschichten Poes mit dem Engels-Instrument der Harfe in Verbindung bringen. Und doch waren es bereits im frühen 20. Jahrhundert zwei Komponisten, die sich daran gesetzt haben, zwei seiner bekanntesten Erzählungen in Musik für Harfe zu kleiden.


1912 entstand die Ballade fantastique der Harfenvirtuosin und Komponistin Henriette Renié, die auf der Erzählung „Das verräterische Herz“ basiert. Hierin beschreibt der Ich-Erzähler von seinem Mord an dem alten Mann, mit der er zusammengelebt hat. Nach dem Mord zerstückelt er den alten Mann und versteckt die Körperteile unter den Dielen des Hauses. Als die Polizei anklopft, bildet sich der Ich-Erzähler so intensiv ein, das Herz des Toten unter dem Fußboden klopfen zu hören, dass er die Nerven verliert und seine Tat gesteht. Renié, die als Harfenistin, Komponistin und Pädagogin die große französische Harfentradition entschieden mitgeprägt hat, schuf um die Geschichte herum ein facettenreiches und sehr virtuoses Solostück für das poetische Instrument. Die junge Harfenistin Julia Wacker, die sich einen Namen gemacht hat durch ihre Vielseitigkeit, hat nun die Ballade fantastique in Verbindung mit einer Lesung des Textes durch Petra Auer eingespielt. Dabei stellen die beiden Künstlerinnen Text und Musik nicht etwa nur getrennt einander gegenüber, sondern lassen beides auch ineinanderfließen.


1923 entstand mit André Caplets Conte fantastique eine der spannendsten Kammermusik-Kompositionen des Impressionismus. Hierin erzählt Caplet Poes Geschichte von der „Maske des Roten Todes“ musikalisch nach. Die Geschichte beschreibt, wie Prinz Pospero in Zeiten, in denen der Rote Tod über das Land zieht, eine Schar von 1000 Rittern und Damen um sich versammelt und sich mit diesen in einer entlegenen Burg verschanzt. Während drum herum die Menschen sterben wie die Fliegen, genießt die privilegierte Gesellschaft das Leben und feiert ausschweifende Feste. Bei einem solchen taucht eine Gestalt mit der Maske des Roten Todes auf. Der Prinz versucht, diese zu erstechen, stirbt aber selbst. Als die Umstehenden sich dem toten Fremden nähern, stellen sie fest, dass er keinen Körper hat – es war der Rote Tod in Person, der sich eingeschlichen hat und nun die ganze Gesellschaft dahin rafft.


Zur Umsetzung des kammermusikalischen Gruselwerks haben Wacker und Auer das junge Galatea Quartett hinzugezogen, das 2005 gegründet wurde und sich seitdem einen Namen gemacht – besonders für seine Offenheit und Vielseitigkeit, die es auch hier zeigt. Gemeinsam mit Wacker und Auer bringt es in Caplets Werk den Hörer packend zum Gruseln. Ergänzt wird die neue CD von Wacker und Auer um eine weitere Hommage an Edgar Allan Poe aus dem Jahre 2016: In A Wind blew out of a Cloud des Basler Komponisten Thüring Bräm wird Poes Gedicht Annabel Lee in Musik umgesetzt. In diesem verarbeitete der Autor den frühen Tod seiner Ehefrau Virginia Clemm, die an Tuberkulose verstarb. Hierin überzeugt julia Wacker noch einmal solistisch.


Eine spannende und ungewöhnliche Aufnahme, die genau das Richtige für die dunkle Jahreszeit ist."



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