Interview mit der Pianistin Natalia Ehwald
- Orchestergraben
- 20. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Aug.
Ein Beitrag von Beatrice Ballin
„Schubert“ – so schlicht ist das neue Album von Natalia Ehwald überschrieben. Mehr muss man auch nicht darüber wissen, sondern stattdessen zuhören und genießen. Beatrice Ballin sprach mit der Pianistin über ihre gelungene und berührende Einspielung.
Auf Ihrer gerade erschienenen „Schubert“- CD vereinen Sie seine Sonate D 664 in A-Dur, seine Sonate D 960 in B-Dur und sowie sechs Ländler und sechs Walzer aus verschiedenen Schaffens- und Lebensphasen des Komponisten. Was war der Grund für diese ungewöhnliche Auswahl?
Darauf, dass die Werke auf einem Album nicht einfach zusammengewürfelt sind, lege ich selbstverständlich Wert. Bei dieser CD steht die sogenannte kleine A-Dur, die mir die liebste der frühen Sonaten ist, der späten B-Dur Sonate gegenüber, hier Schöne Müllerin, da Winterreise. Die Tanzsuite besteht aus wunderbaren Miniaturen, jede einzelne ist ein kleiner poetischer Kosmos, und doch sind sie alle aufeinander abgestimmt und stehen in tonalem Zusammenhang.
Natürlich bin ich mir bewusst, dass es von den von mir eingespielten Werken bereits unzählige fantastische Aufnahmen gibt, und bei solch einer Stückauswahl rät einem jedes Label ab, um stattdessen unbekannte Werke oder raffinierte Konzepte vorzuschlagen. Ich spiele aber generell nur Stücke, die ich sehr liebe, völlig unabhängig davon, wie oft diese gespielt werden, denn ich brauche lange zum Erarbeiten der Stücke und habe schlicht keine Zeit, mich anderen Stücken zu widmen. Und bei manchen dieser Werke entscheide ich dann, dass ich sie jetzt einspielen muss; sobald aber die CD fertig ist, bekomme ich das Gefühl, dass doch erst jetzt der Zeitpunkt für die Aufnahme gekommen wäre und ich es jetzt besser machen würde! Das Konzert ist gewiss der geeignetere Ort für ein echtes Musikerlebnis: da gibt es kein Zurück, man musiziert im unmittelbaren Augenblick, und der Zweifel danach ist völlig sinnlos, da man nichts mehr ändern kann. Anders im Studio, wo ich fast wahnsinnig werde, weil ich alles richtig machen möchte. Da besteht die Gefahr, dass die Spontaneität des Musizierens verloren geht, (mein damaliger Lehrer Evgeni Koroliov nennt es “die Frische des Gefühls“), das ist ein großes Problem.
Sie haben eine ausgeprägte Affinität für die Werke von Franz Schubert. Was bedeutet Schubert für Sie? Und wann haben Sie Ihre Liebe für Schubert entdeckt?
Er ist für mich neben Schumann der Komponist, bei dem ich mich nicht verbiegen, nicht viel suchen muss; bei ihm habe ich das Gefühl, ganz natürlich sprechen zu können. Ich liebe auch ganz besonders seine Lieder, wahrscheinlich macht gerade das Liedhafte Schuberts Musik für mich so selbstverständlich, dieses Innige, die dem Anschein nach simplen Melodien. Andererseits sind seine Werke genau dadurch sehr zerbrechlich, weil jede noch so kleine Phrase sehr gut gesungen sein muss und man viel verderben kann, wenn man dies versäumt. Ich habe Schubert deutlich später für mich entdeckt als Schumann, dessen Werke man als Pianist schon sehr früh spielt und zu dem ich bereits als Kind eine starke Verbindung gespürt habe. Auch bei Schumann steht das Gesangliche im Vordergrund, weshalb seine kleinen Stücke, beispielsweise aus dem Album für die Jugend, sich so gut eignen, Klavierschülern das singende Spiel zu vermitteln.
Mit Anfang zwanzig habe ich zum Weihnachtsfest die Aufnahme von Schuberts G-Dur-Sonate mit Sokolov geschenkt bekommen und sie die ganze Nacht gehört, das war mein Erweckungserlebnis.
Die Sonate D 960 war die letzte von Schuberts späten Klaviersonaten. Er veröffentlichte sie im August 1828, drei Monate vor seinem viel zu frühen Tod. Spüren Sie bei diesem Werk so etwas wie eine Todesahnung?
Schubert wusste, dass er unheilbar krank war. Über die vermeintliche Todesahnung in dieser Sonate wird viel spekuliert, zuletzt habe ich mit einem Freund – dem Autor meines Booklet-Textes – darüber gesprochen und wir sind uns dahingehend uneins. Für mich hat diese Musik ohne Zweifel etwas Überirdisches, allein die erste Phrase scheint schon immer dagewesen und ist in ihrer Schlichtheit und Vollkommenheit ein einziges Wunder.
Viele tun die letzten beiden Sätze als eher nebensächlich ab, dem kann ich überhaupt nicht zustimmen. Nach dem zweiten, unsagbar trostlosen, zutiefst erschütternden Satz (den ich im Übrigen keineswegs, wie Andras Schiff als Barkarole empfinden kann, auch wenn er mit Andante überschrieben ist), bleibt Schubert gar nichts anderes übrig, als sich mit dem Scherzo an den eigenen Haaren aus diesem Abgrund wieder herauszuziehen. Und ist nicht im letzten Satz ganz klar der Wanderer zu hören, der immer weitermuss, obwohl es schon nicht mehr geht und er immer wieder zögert?
Unabhängig davon, ob Schubert besagte Todesahnung hatte oder nicht: In dieser Sonate liegt für mich ein ganzes Leben, und mir ist es einfach unbegreiflich, wie ein so junger Mensch diese Musik schreiben konnte.
Angenommen Sie könnten die Zeit zurückdrehen und Franz Schubert persönlich treffen: Worüber würden Sie mit ihm sprechen?
Am naheliegendsten wäre natürlich, mit ihm über seine Musik zu sprechen, andererseits ist doch das Wunderbare an ihr, dass sie ausdrückt, was wir eben nicht in Worte fassen können. Das größte Glück für mich wäre, wenn er mir etwas vorspielen würde.
Natalia Ehwald, vielen Dank für dieses Gespräch!













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