Wasser und Klavier – nicht nur für Baderatten ein belebend zischendes Elixir
- Online Merker
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Wasser in verschiedenen Erscheinungsformen von sanft bis naturgewaltig war und ist ein Faszinosum. In der Welt der Klänge stürzten sich seit jeher Musiker aller Sparten von Klassik über Jazz, Film bis Pop auf und in das Element des Wassers in unterschiedlich verfremdeten Imitationen von physikalischen Prozessen als Ausdruck der menschlichen Beziehungsweite zum kühlen Nass. In kreativen Aneignungen entstanden so großartige Werke von barocken Orchestersuiten eines G.F. Händel, Telemann („Hamburger Ebb und Fluth“), Smetanas „Die Moldau“ über die impressionistischen Spurensuchen eines Claude Debussy bis zu Brittens „Sea Interludes“, Filmmusiken etwa der herrlich komischen, die Weltpolitik parodierenden Karibikkomödie „Wasser“ und Underground-Hits wie „Kaltes Klares Wasser“ der Berliner Band Malaria!
Esoterisch stressabbauendes bzw. schlafförderndes Entspannungsrauschen erfreut sich großer Beliebtheit und para- bis pseudowissenschaftliche Theorien des Japaners Masaru Emoto zeugen von der allumfassenden bis an die Grenzen des Absurden reichenden Wirkungsmacht von H²O. Für die Musikwelt wesentlich gehaltvoller ist jedoch das Festival „Water and Sound“, das vom 25.7.- 2.8. auch 2026 wieder in Augsburg stattfinden wird.
Die rumänische Pianistin Carmen Stefanescu hat sich in ihrem Programmalbum „Shapes of Water“ anhand von 17 ausgewählten Beispielen auf persönliche Weise den „Urgewalten und leisen Melancholien“ von Wasser in der Klaviermusik gewidmet. Der Titel „The Shape of Water“ kommt manchem vielleicht vom Fantasy-Romanzenfilm von Guillermo del Toro aus dem Jahr 2017 bekannt vor.
Carmen Stefanescu lädt uns 75 Minuten lang mit Schwerpunkt auf das Klavierschaffen von Claude Debussy (Estampes, Préludes, Childrens Corner, Petite Suite, Images, L’isle joyeuse) zu einer Erkundung der optischen (Wasserkräuseln, bewegte Lichtreflexe, japanische Goldfischmalerei) und akustischen (Sommerregen, Gewitter, Nach dem Regen, ozeanisches Toben) Emanationen von Wasser ein.
Die emotionale und onomatopoetisch durchwirkte Reise durch von Wasser inspirierte Klangwelten bezieht auch Balladen (Zemlinskys “Der Wassermann“ nach Justinus Kerner), Sagen (Debussys „La Cathédrale engloutie“ nach der Fiktion von der Stadt Ys), romantische Naturschilderungen (Ernest Blochs prachtvolles Ozean Gemälde „Poems of the Sea“ mit Seemannsliedbezug) sowie – als Exot – die Computermusik „The Boundless Ocean“ (aus Final Fantasy III) des Japaners Nobuo Uematsu in einer Bearbeitung von Hiroyuki Nakayama in ihren anregenden Kosmos mit ein.
Dieses Album liegt mir so am Herzen, weil es fern aller Klischees und doch so anschaulich raritätengespickt stimmungsvolle Klaviermusik des 19. und 20. Jahrhunderts eigentlich zu einer umfassenden Liebeserklärung an das Instrument Klavier bündelt.
Metaphorisches: Wasser ist zwar ein Element der Natur, in der Kunst wird es oft bildhaft menschlichen Gefühlen zugeordnet. Carmen Stefanescu sieht idZ Debussys „L’isle joyeuse“ als „Hommage an Debussys Liebesgeschichte mit Emma Bardac, die er Fauré ausgespannt hat. Er ist mit ihr nach Jersey geflüchtet, wo sie ihre Liebe voll ausgelebt haben. Insofern symbolisiert L’isle joyeuse die Wildheit einer beginnenden Liebe, was man ja sehr gut mit dem Meer vergleichen kann. Beide haben ihre Höhen und Tiefen, und da kann es auch sehr stürmisch zugehen.“
Die aufwühlende bis meditative Wirkung dieses Albums geht vor allem auf Stefanescus enorm differenziertes Klavierspiel, ihren klar perlenden, kräftigen Anschlag, eine durch und durch poetisch empfundene Erzählfreude, auf Technik in den Diensten expressiv gemeißelter Schönheit, nicht zuletzt die klug gewählte Abfolge an atmosphärischen Kontrasten, kurz gesagt, die Kurzweil des Programms, zurück. Dazu versteht es Stefanescu, ein Narrativ, eine dramaturgische Klammer über alle harmonischen und lyrisch arabesken Klangmalereien hinweg zu spannen.
Besonders sei auf lohnenswerte Raritäten wie des „zeitKlang“ Gründers Andreas J. Winklers intensiv getönte “Regenprelude II“, „By the Still Waters“ der amerikanischen Spätromantikerin Amy Beach und das zauberhafte „Water Lilies in the Gleaming Light of Sunset“ des russischen Tonsetzers Alexander Rosenblatt hingewiesen.
Das Album wartet außer einer handfesten pianistischen Bravour und eingewoben symbolistischer Mystik mit klangpurer Seelennahrung auf, ohne offenkundig gefällig oder anbiedernd zu sein. Ein Schwimmen und Tauchen in korallenschimmernden Ozeanen der Gefühle und das ganz und gar ohne Haigefahr. Gönnen Sie sich dieses berauschende Vergnügen.
Dr. Ingobert Waltenberger












Kommentare