"Schon der Titel dieser CD „…into the night“ zeigt, wie privat, subjektiv, intim diese Zusammenstellung von meist romantischen Klavierstücken ist. „Für mich ist die Nacht der Beginn unendlicher Möglichkeiten.“, bekennt die koreanisch-kanadische Pianistin Jennifer Lim im Booklet. (...) Ein Vergleich der Spielzeiten mit Pianisten-Kollegen lässt erkennen, was Jennifer Lim will: In fast allen Chopin’schen Nocturnes ist sie oft um fast eine Minute langsamer als ihre Interpreten-Kollegen, z.B. Adam Harasiewicz, Daniel Barenboim oder Artur Rubinstein. Und man hört es: Langsam, bedächtig und bedenkend spielt sie jeden Ton der Nocturnes, als wollte sie jede Note einzeln zeigen, sie sinnt jedem einzelnen Ton nach, so dass sich z. B. im Es-Dur-Nocturne op. 9 Nr. 2 kein Klanggespinst ergibt, sondern nur einzeln gespielte Töne. Jennifer Lim demonstriert, wie ergriffen sie vom Träumerischen der gespielten Musik ist, (...)
Dagegen träumt sie sich in Liszts Liebestraum empathisch hinein, glückt ihr gläsern-schön die Versunkenheit in Debussys Clair de la lune – vielleicht weil Debussys Musik objektiver ist? Das Klangbild ist fürs Träumen zu direkt, das Mikrofon scheint mitten im Klavier zu stecken und nimmt nicht den Raumklang mit. Das Schönste und Poetischste aber ist der Booklet-Text von Ki-Hyuk Lee, der eine Nacht mit der am Klavier träumenden Jennifer Lim in deren scheinbar verwunschenen Londoner Haus beschreibt: „Wir sind alle Kinder der Nacht.“