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"Definitive Empfehlung und für die Jahresbestenliste vorgemerkt."

  • Klassik Heute
  • vor 3 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

Klassik Heute Empfehlung 10-10-10


"Dass mich eine CD, die ausschließlich Antonio Vivaldi gewidmet ist, nicht zwingend begeistert, dürfte den Lesern bekannt sein. Desto schöner, dass jetzt eine Produktion auf meinen Schreibtisch gelangte, die mir höchste Freude bereitete. Wohl nur die Wenigsten werden wissen, dass Vivaldi gelegentlich eine obligate Orgel in seinen Concerti und Sonaten einsetzte. Wer uns dies ins Bewusstsein ruft, erwirbt sich allein schon durch das Aufzeigen dieser Facette

    

Anders als Spanien, Frankreich, Deutschland gehört der Adriaraum nicht zu den populären barocken Orgellandschaften, was daran liegen mag, dass man auf dem reduzierten Pedal Werke von Buxtehude oder Bach gar nicht zu versuchen braucht und die für das französiche Repertoire unbedingt erforderlichen Zungen und Terzaliquote fehlen.

Umso bedeutsamer, dass in dieser Aufnahme zwei Originalinstrumente zu hören und zudem vorbildlich dokumentiert worden sind. Interessanterweise ergeben sich mit der registermäßigen Teilung der Manuale zwischen Bass (bis c1) und Diskant (ab cis1) und einem schlanken etwas nasalem Timbre Parallelen zum iberischen Orgelbau. Allerdings fehlt hier die Clareta, die typische Zungenbatterie mit den Horizentaltrompeten. Da der Aufbau der Prinzipalfamilie in Italien mit Ganztonabständen vom Prinzipal 8‘ angegeben wird, hier die deutschen Äquivalente zur besseren Nachverfolgung der Angaben im Booklet: Ottava=4‘, XV=2‘, XIX= Quinte 1 1/3‘, XXII=1‘, XXVI=2/3‘, XXIX=1/2‘. Dabei ist erstaunlich, wie leicht diese Register ansprechen, was schnelle Tonrepetitionen ermöglicht, die auf Nordeuropäischen Orgeln mit ihrer schwereren Traktur wohl unausführbar wären. Die gewählten Registrierungen harmonieren hervorragend mit den anderen Soloinstrumenten und wirken oft wie ein zusätzliches Streichinstrument. Dies macht die Werke klanglich außerordentlich reizvoll.

    

Claudio Rado (Violine), Priska Comploi (Oboe), Francesca Ascioti (Alt), Guido de Nardo (Orgel), der auch die Leitung des Ensembles hat, musizieren unterstützt vom Sestier Armonico ganz einfach hinreißend, wenngleich man der Altistin weniger Vibrato und dafür mehr Legato wünschen möchte. Die „sprechende“ Phrasierung mit variabler Artikulation und viel Mut zu eigenen Ornamenten bis hin zu improvisierten Kadenzen zwingt zum Zuhören. Dabei verzichtet man auf jegliche – bei Vivaldi so gern angebrachte – Mätzchen und befleißigt sich in jedem Moment einer überaus noblen Tongebung. Das ist derart überzeugend, dass man nach 60 Minuten dieser Musik mehr traurig über das Ende, denn übersättigt ist.

Das luxuriöse Booklet mit einem Artikel des wohl besten Kenners Vivaldischer Musik, Michael Talbot, exakten Registerangaben und detailreichen Abbildungen der beiden Orgeln ist mit seinen 90 Seiten derart umfangreich, dass die Produktion in einer Box ausgeliefert werden muss. Ebenso ist die Klangbalance hervorragend.

Fazit: Eine äußerst farbige, souverän musizierte CD, die selbst Vivaldi-Hassern gefallen muss. Definitive Empfehlung und für die Jahresbestenliste vorgemerkt. Anspieltipp: das dramatische Konzert in d-Moll RV541 (Track 4-6)."

Thomas Baack







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